Freitag, 15. Juni 2012
Beerdigung
Kurz vor dem Ziel möchte ich meiner Mutter Bescheid sagen, dass wir jetzt die lange Fahrt überstanden haben und erfahre mit Entsetzen, dass sie doch wieder bei dem blöden Hausarzt gewesen ist, der sich doch erst geweigert hat, sie zu behandeln, und sich nun erdreistet, zu entscheiden, dass sie alle Tabletten weglassen solle. Ich rege mich tierisch darüber auf und schreibe gleich Moni eine sms, die versucht, mich zu beruhigen.
Im Haus seines verstorbenen Bruders kommen wir in Peki unter.
Nach der anstrengen Fahrt ist erst einmal eine „Dusche“ angebracht. Der Hausmeister macht mir heißes Wasser in einem Eimer, ich kann dann mit einem kleinen Becher dieses über meinen geschwitzten Körper schütten und mich erfrischen.
Victor hat manchmal eine komische Art. Als mein Duschwasser fertig ist, macht er nur eine Handbewegung, die bedeuten soll, ich solle hingehen und duschen.
Ich sage ihm später, dass ich höchstens meinem Hund(und selbst mit dem spreche ich!) solche Handbewegungen mache.
Er ist auch sehr unzivilisiert geworden, pinkelt an jede Ecke, statt auf die Toilette zu gehen, puhlt in den Zähnen rum, und bohrt in der Nase, wenn man dabei ist.
Mich stört auch ganz gewaltig, dass er heute Nacht nicht zu sich geht, sondern hier mit mir in einem Zimmer die Nacht verbringen will. Ich finde es absolut nicht in Ordnung.
Seine Schwester und er kaufen Bettwäsche und die schlimmen total durchgelegenen Matratzen sind so etwas abgedeckt, aber trotzdem sehr eklig für mich, vor allem, weil Victor die ganze Nacht rumhustet und sein Handy um Mitternacht Weckalarm klingelt. Kann man nicht abstellen, das versucht er mir weiß zu machen.


Man achte auf die Fenster! Es gibt nur verstellbare Glaslamellen, die sich aber nicht wirklich schließen lassen.

Nach dem Wachwerden sage ich Victor meine Meinung zur Situation im Haus.
Ich bin nicht sein Gast, sondern verbringe hier als Gast der Familie im Haus seines verstorbenen Bruders Enoch meinen Urlaub. Das Grab seines Bruders befindet sich( sehr gewöhnungsbedürftig!) direkt in Sichtweite vor der Haustür.


Das Grab des Bruders

Gottseidank ist das Wetter wieder sehr erträglich und der Himmel ist bewölkt.
Geschätzte 25-27°C.
Heute findet die Beerdigung des weitläufigen Verwandten in der Nachbarschaft statt.
Eigentlich wollte Victor mit zur Kirche gehen, doch das schafft er wegen seiner Lahmarschigkeit wieder nicht.
Seine Geschwister wollen ihn abholen, aber sind um 9.30h immer noch nicht in Sicht, die Kirche beginnt um 9.00h.
Ich habe recht schlecht geschlafen. Ein Licht erstrahlte das Zimmer taghell und die dicken Brummer flogen die ganze Nacht vor die Außenbeleuchtung und bis ich dann mal eingeschlafen war…
Victor kam nach drei Stunden( ich bin gleich da..), vom Kondolieren zurück und war dann innerhalb von einer Minute eingeschlafen und schnurchelte die ganze Nacht.
Er geht mir echt auf die Nerven. Aber ich erinnere mich jetzt: so war er und so bleibt er! Natürlich hat er das bisschen Bildung und Zivilisation aus Deutschland hinter sich gelassen. Beim Frühstück fordere ich ihn allen Ernstes auf, wenigstens mal „bitte“ zu sagen, wenn ich ihm noch eine Schnitte Brot abschneiden soll.
Die geschiedene Frau seines verstorbenen Bruders sitzt mit uns auch gemeinsam am Tisch und berichtet darüber, dass sie ein Kinderheim in Accra (Forest Place) leitet. Sie erzählt ausführlich davon und ich bin beeindruckt. Sie arbeitet nämlich ehrenamtlich, man finanziert sich durch Spenden.
Die ersten Deutschen Missionare kamen 1947 hierher nach Peki, ich denke, Victor hat es deshalb auch zum Studium nach Deutschland gezogen.
Er meint zwar( in Anspielung auf mein Gedicht) meine Seele hätte ihn gerufen, aber… ich spüre es immer weniger.
Das Kinderhein(Waisenhaus) hat immer noch Verbindung nach Bremen.

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