Dienstag, 12. Juni 2012
Abschiebung
Abends sprechen Victor und ich lange über die Vergangenheit.
Was mich sehr wundert, dass er sich nicht mehr daran erinnern kann, dass ich ihm damals 350 DM für die Verlängerung seines Passes gegeben habe.
Ich erinnere mich nicht daran, dass ich angeblich bei einem Telefongespräch gesagt haben soll, er solle nicht meine neue Beziehung stören und mich nicht mehr anrufen. Das kann ich mir von daher überhaupt nicht vorstellen, da es sich zu der Zeit um Dieter gehandelt hat (mein jetziger Ehemann), der ja derartig großzügig war und ist und den es niemals gestört hätte, wenn ich Kontakt zu meinem alten Freund Victor aufrechtgehalten hätte.
Ja, nun kann ja trotzdem sein, ich weiß es eben nicht mehr.
Das können wir aber beides nicht wirklich klären.
Victor sagte ja im Vorfeld meiner Reise, das einzige, das ihm weh getan hätte, dass er mich verloren hätte.
Ich habe versucht ihm klar zu machen, dass er die Beziehung nicht halten konnte, weil ich zu wenig „Echo“ bekommen hätte. Damals hat er mir den Eindruck vermittelt, ob er mich hat oder nicht, das sei egal.
Und wenig Initiative gezeigt. Darüber war er ganz erstaunt, er meinte, er hätte mir Briefe geschrieben und mich auch manches Mal angerufen.
Die Pflanze „Liebe“ muss man wässern.
Wir haben es auch noch einmal thematisiert, dass er mich hinsichtlich seines wahren Geburtsdatums belogen hat. Wenn es einer hätte wissen müssen, dann ich! Oder nicht? Und nicht die blöde D.! Victor sagt: „Entschuldige!“
Schon längst verziehen! Es war ganz leicht, dies zu verzeihen.
Er erzählt mir ausführlich von seiner Abschiebung und ich höre sehr viel Demütigung und Entwürdigung heraus. Ja, traurig, so war es zu der damaligen Zeit!
Er sollte zum Beispiel einige Papiere unterschreiben. Da antwortete er, er möchte sie aber bitte vorher lesen. Der Beamte fragte ihn, ob er denn überhaupt lesen könne. ( Ein Student, der sein zweites Studium in Deutschland in Deutsch absolviert!)
„Ja, hätte ich sonst gefragt, es lesen zu dürfen, wenn ich nicht lesen könnte?“
„Nun wird er auch noch frech!“ war die Antwort.
Innerhalb einer Woche haben sie kurzen Prozess mit ihm gemacht und ihn nach Ghana abgeschoben.
„Warum hast du mich nicht angerufen?“
Genau kann er es nicht erklären, nur mit meiner obigen Aussage, er solle meine neue Beziehung nicht stören.
Seine persönlichen Dinge hatte er damals einem guten Freund zur Aufbewahrung gegeben. Briefe , Geschenke und Fotos von mir.
Zu unser aller Entsetzen damals haben der Freund und seine Freundin alle seine persönlichen Dinge wie Bücher von seinem Studium und die persönlichen Erinnerungsstücke an mich alle „entsorgt“. Sperrmüll war damals das Zauberwort. Uns beiden ist bis heute so eine Herzlosigkeit unverständlich und wir sind immer noch fassungslos darüber.

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Scharf
Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf gehen wir zum „Canadian Spot“, einem einheimischen Restaurant essen. Gefährlicher Marsch an der Straße entlang, ohne Bürgersteig.



Wir bestellen Fufu mit „Goat-Meat“, das einzige ghanesische Essen, das ich noch aus Victors Zeit in Deutschland kenne.
Ich frage, was „Goat-Meat“ für ein Fleisch ist. Ich staune ja immer noch über mich, wo ich fast 20 Jahre Vegetarierin gewesen bin, dass ich nun so gerne wieder Fleisch esse und manchmal richtig Heißhunger darauf habe.
Victor sagt: „Tiger-Meat“. Hä, Tiger? Gibt es nicht in Afrika!(So viel weiß ich nun auch noch!) Wieso? Wo denn? Nun, in Indien!
Neiiiiiiin, nicht „tiger-meat“, sondern „Ziege“, das „Z“ hat er einfach mal wieder weggenuschelt. Ich lache mich so kaputt über dieses Missverständnis.
Aber Gottseidank, es ist kein Tigerfleisch, das hätte mich auch sehr gewundert.
Auf allen Tischen stehen Flaschen mit grüner Spüli-Flüssigkeit. Es werden vor dem Essen zwei Schüsseln mit Wasser gereicht, damit man sich die Hände vor dem Essen waschen kann, denn es wird ja eigentlich mit den Händen gegessen. Etwas umständlich, finde ich, denn könnte man nicht einfach zum Waschbecken gehen und sich die Hände waschen? Nein!
Ich denke manches Mal an ein Interview mit der Filmemacherin Doris Dörrie, die nach der hässlichen Eigenschaft von Deutschen im Ausland befragt, erklärte, der Deutsche sei gerade mal 10 Minuten in einem anderen Land, dann würde er den Leuten dort ihr Land erklären. So komme ich mir hier auch manchmal vor und muss mich schwer zurückhalten, um nicht auch zu den Hässlichen zu gehören.
Nun geht’s los! Es kommt eine tiefe, große Schale mit roter Suppe (light soup)
Auf den Tisch, mittendrin das Fufu (ein aus Maniokmehl geformter Kloß) und ein Stück Ziegenfleisch, was recht lecker schmeckt. Ein Stück Schwarte gebe ich an Victor weiter, der alles und mit den Händen isst. Ich habe mir einen Löffel bestellt.
Das Essen ist selbst für Victor viel zu scharf und nach einigen Bissen stelle ich das Essen ein. Ich stehe hungrig vom Tisch auf. Mein Magen brennt sogar etwas.
Selbst Victor brennen die Lippen, er isst zwar auf, aber so richtig ein Genuss war auch für ihn das Essen nicht.
Gegen Abend zieht ein enorm dunkler Himmel auf, es sieht schwer nach Regen aus und wir sehen zu, dass wir vor dem Einsetzen des Regens zu Hause sind.
Unsere Lippen brennen immer noch wie Feuer von dem heißen und scharfen Essen.
O. nervt mich mit Sms und ich rufe ihn zur Geduld auf.

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